Lieferketten-Engpässe und ihre Auswirkungen

Mein heutiger Interviewgast ist Christin Fuchs von Good Garment Collective. Mit ihr spreche ich über die spürbaren Veränderungen in der Branche seit Ausbruch der Corona-Pandemie, Lieferketten und die Auswirkungen von Lieferketten-Engpässen auf Modeunternehmen. Außerdem im Fokus: Die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Mode-Branche. Also, lies unbedingt weiter und erhalte spannende Einblicke von einer echten Branchen-Insiderin!

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Liebe Christin, schön, dass Du hier bist. Vielleicht magst Du Dich kurz vorstellen?

Danke, dass Du mich eingeladen hast. Ich bin Christin von Good Garment Collective, einer Produktionsagentur für Bekleidung. Wir haben uns auf nachhaltige Brands und auf die Entwicklung von Produkten für nachhaltige Brands spezialisierst. Mein Background: Ich habe Modedesign studiert, doch schnell gemerkt, dass Design ohne Berücksichtigung ökologischer und sozialer Faktoren für mich nicht ausreicht. Ich muss tiefer in das große Thema Nachhaltigkeit einsteigen und bin bei Good Garment Collective zusammen mit Stefanie vor allem für die nachhaltigen Stoffe und Zutaten sowie für den Aufbau unserer Materialbibliothek zuständig und bin zudem als Projektleiterin tätig.

Nach meiner Wahrnehmung ist Eure Agentur recht einzigartig am Markt, vor allem was den Bereich Webwaren betrifft. Magst Du mir dazu noch mehr erzählen, und auch, wie Ihr als Agentur gewachsen seid?

Good Garment Collective wurde 2017 von Marita, Stefanie und Janine gegründet. Mittlerweile sind wir 12 Leute im Team und kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Wir haben Schnittmacherinnen, Projektleiterinnen, Werkstudentinnen und beschäftigen alle halbe Jahre Praktikantinnen. Wir sind mittlerweile schon gewachsen, wenn man den Anfang von 2017 anschaut.

Würdest Du sagen, das Wachstum kam daher, dass dem Thema Nachhaltigkeit mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als 2017? Oder würdest Du sagen, es hat auch noch andere Gründe, die in der Firma liegen?

Ich glaube, das liegt daran, dass wir immer wieder mit Startups zusammenarbeiten, d.h. es gibt immer wieder neue Projekte, die reinkommen. Aber auch Brands längerfristig zu betreuen und mit ihnen zu wachsen, ist besonders spannend, weil man sich weiterentwickelt. Man merkt, dass man andere Prozesse braucht, und dadurch mussten wir auch im Team wachsen – weil unsere Brands gewachsen sind. Das hat gar nicht so sehr nur etwas mit der Tatsache zu tun, dass Nachhaltigkeit stärker im Fokus steht.

Was ist der Unterschied zwischen Eurer und anderen Produktionsagenturen? Da gibt es ja auch gerade einige alteingesessene am Markt.

"Fokus auf transparente Lieferketten und nachhaltige Stoffe"

Wir entwickeln vom Designentwurf bis zur Auslieferung der fertigen Produkte, d.h. wir übernehmen im kompletten Prozess das Materialsourcing, das Produktionsmanagement, welches wir für unsere Kund*innen übernehmen oder sie dabei unterstützen, und wir fokussieren uns dabei auf eine transparente Lieferkette, auf nachhaltige Stoffe, auf eine sinnvolle Entwicklung von den Produkten. Ich kenne nicht so viele Produktionsagenturen, die diesen kompletten Prozess bis zur Auslieferung betreuen. Es gibt viele Schnittagenturen oder welche, die einzelne Bereiche übernehmen, aber diesen kompletten Prozess… da kenne ich nicht so viele Produktionsagenturen.

Ich hatte eben schon das Thema Webware angerissen. Webware und Strick unterscheiden sich sehr stark, sowohl was die Beschaffung betrifft als auch hinterher bei der Passform. Hat das dazu geführt, dass Ihr gesagt habt, dass Ihr Web- und Strickwaren voneinander trennen und Euch auf Webwaren fokussiert wollt?

Ja genau, bei der Strickentwicklung ist es nochmal ein anderer Ablauf. Wir haben am Anfang auch Strickprojekte übernommen. Aber wir so breit aufgestellt. Wir betreuen Sportswear-Brands, klassisch DOB, Outdoor-Wear, Periodenunterwäsche – das sind einfach so viele verschiedene Felder, bei denen man in die Tiefe gehen muss, daher haben wir gesagt, dass wir nicht noch bei der Strickentwicklung in die Tiefe gehen. Da braucht es wieder andere Garnlieferanten und andere Produktionsprozesse. Daher haben wir gesagt: „Okay, wir machen keine Strickentwicklung.“ Wir arbeiten natürlich mit fertiger Strickware, also mit Meterware, aber wir machen keine Strickentwicklung.

Kannst Du etwas darüber sagen, wer Eure Kund*innen sind? Du hattest eben von Startups gesprochen, kannst Du konkrete Referenzen nennen und vielleicht auch umreißen, welche Art von Kund*innen Ihr generell betreut? Arbeitet Ihr vor allem für Unternehmen, die sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben haben oder betreut Ihr auch nachhaltige Sparten von größeren Unternehmen?

Ich habe gerade schon so ein bisschen erklärt, dass wir sehr breit arbeiten. Wir haben Brands aus den unterschiedlichsten Bereichen: DOB, HAKA, Kidswear, Sportswear, Outdoor-Wear. Es macht uns Spaß, in vielen verschiedenen Bereichen zu denken. Weil Du nach gezielten Brands gefragt hast: Die größten Brands, mit denen wir zusammenarbeiten, sind Good Clothes, ooia und The Slow Label. Das sind die mit den meisten Followern auf Instagram oder mit der meisten Reichweite. Wir arbeiten aber auch mit Startups zusammen, die noch an einem anderen Punkt stehen. Auch mit ooia arbeiten wir recht lange zusammen und standen vor ein paar Jahren an einem ganz anderen Punkt. Wir arbeiten auch mit Startups von der ersten Kollektion an zusammen und betreuen diese dann auch zum Teil in den verschiedenen Produktionsruns.

Wenn größere Unternehmen sagen würden: "Wir möchten gerne eine nachhaltige Sparte eröffnen oder darauf einen größeren Fokus legen.“, betreut Ihr solche Projekte auch oder fokussiert Ihr Euch auf Marken, deren Konzept nachhaltig ist?

Wenn wir neue Projekte angehen, schauen wir schon: Passt das Gesamtprodukt oder die Produkte zu uns und zu unseren Werten? D.h. es geht nicht nur darum, nachhaltige Stoffe zu verwenden, sondern auch um das Konstrukt, die soziale Nachhaltigkeit und auch wie wir die Produkte am Markt sehen. Ist es eine neue Entwicklung? Ist es wirklich am Markt superwichtig? Finden wir das unterstützenswert? Wir sind nicht so sehr beratend tätig für große Konzerne, dass wir sagen würden, wir unterstützen diese im Nachhaltigkeitsmanagement. Große Player haben selber ihre Expert*innen im Team sitzen. Sie haben ihre eigenen Lieferketten und Sustainablity Manager, da sind wir als Agentur nicht so gefragt.

Du hast gerade über das Thema Lieferketten gesprochen. Vielleicht kannst Du mir etwas dazu sagen, wie Du persönlich die Veränderung in der Branche bzw. in der Lieferkette in den letzten zwei Jahren erlebt hast. Gerade wenn wir über Fertigung in Ländern sprechen, die weit entfernt sind, aber auch innerhalb Europas bekomme ich im Daily Business mit, dass es zu großen Herausforderungen kommt, in der Logistik beispielsweise.

Wir lassen ausschließlich in Europa produzieren, d.h. wir haben gar nicht so sehr mit Asien zu tun. Auch fast alle Stoffe und Zutaten kommen aus Europa, wenn es sich nicht anders vermeiden lässt oder der Kunde bzw. die Kundin bereits mit dem Stoffhersteller aus Asien zusammenarbeitet. Wir konzentrieren uns vor allem auf Europa, und das ist, was Lieferketten und Lieferzeiten anbelangt, ganz anders. Nicht ganz so schlimm, aber dennoch merken wir, dass sich Lieferzeiten wahnsinnig verlängern. Wir haben vorher bei einer Stoffbestellung vier Wochen gewartet, jetzt sind es gut und gerne drei Monate und länger – immer abhängig davon, wie das einzelne Garn verfügbar ist. Das kann man nicht pauschal sagen. Manchmal hängt es bei den recycelten Polyamidstoffen, mal bei Baumwollstoffen, manche Stoffe kommen trotzdem pünktlich. Je nachdem, wie die Garne verfügbar sind, hat man unterschiedliche Lieferzeiten, aber was es so schwierig macht, ist die Planung. Früher konnten wir wirklich sagen: „So sind die Timelines!“, denn wir müssen auch der Produktion Bescheid sagen, wann die Stoffe und Zutaten angeliefert werden, und wenn man von vornherein planen muss, dass es entweder vier oder 12 Wochen sind, dann macht das einen großen Unterschied.

"Langfristige Partnerschaften sind ein großer Vorteil"

Ein weiterer Punkt ist, dass die Preise nicht mehr stabil sind. Preise für Stoffe und Zutaten waren früher mindestens ein halbes Jahr gültig, wenn nicht gar ein Jahr. Jetzt haben wir viele Stoffhersteller, die ihre Preise für eine Woche oder kürzer garantieren können, weil sie nicht wissen, wann sich die Rohgarne wieder verteuern, und sie müssen natürlich schauen, wie es mit den Energiekosten ausschaut. Es ist nicht mehr so stabil und planbar, nichtsdestotrotz kann ich sagen: Wenn man beständige Lieferketten hat und auf einen Stoffhersteller zurückgreift, der immer den gleichen Garnlieferanten hat, dann merkt man, dass diese nicht so sehr von dem Mangel betroffen sind. Dass da viel mehr Stabilität herrscht. Ich würde daher sagen, dass es ein großer Vorteil ist, wenn man kontinuierlich mit gewissen Stoff- oder Zutatenherstellern zusammenarbeitet und eher längerfristige Partnerschaften aufbaut.

Hast Du das Gefühl, dass sich das auch auf die Kund*innen auswirkt? Hast Du das Gefühl, dass der Konsument bzw. die Konsumentin dafür Verständnis aufbringt?

Pauschal kann ich das nicht beantworten. Das kommt immer darauf an, welche Zielgruppe, welchen Kundenstamm das jeweilige Brand hat. Diese sind recht unterschiedlich und wir haben damit nicht mehr so viel zu tun, aber ich merke schon, dass je besser man sich hinsichtlich der Kommunikation und Transparenz nach Außen aufstellt, desto mehr Verständnis haben auch die Konsument*innen. Sie haben auch Verständnis, wenn sie auf ein Produkt warten müssen, weil es Lieferverzögerungen gibt. Das bekommen wir schon mit, denn wir sind die Überbringer der schlechten Nachrichten, die sagen: „Leider gibt es hier Lieferverzögerungen." Dabei kriegen wir schon mit, wie die Brands damit umgehen, und die meisten haben dafür Verständnis.

Und hast Du das Gefühl, dass sich der Wunsch der Kund*innen nach nachhaltigen Produkten verändert? Und wie konkret äußert sich das über den Namen des Landes, in dem das Produkt gefertigt ist, hinaus? Ich habe den Eindruck, dass die Konsument*innen wesentlich besser informiert sind, woher das Produkt kommt und generell einen höheren Informationsbedarf an die Marke stellen.

Ich beobachte auch, dass der Wunsch nach Transparenz und dem Zugang zu Transparenz von den Konsument*innnen stärker wird. Dieser Weg ist unterstützenswert. Natürlich ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren ein Wort, das nicht mehr wegzudenken ist – ein sehr großes Wort, aber es macht es natürlich auch schwierig zu sortieren: Wer ist denn wirklich nachhaltig? Es gibt recht viele, auch große Brands, wo man Angst hat, dass es in Richtung Greenwashing geht. Ich merke auch auf allen Stoff- und Zutatenmessen, dass Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken ist.

Wie definiert Ihr als Agentur das Thema Nachhaltigkeit? Mir ist immer ganz wichtig, dass wir nicht nur über Materialien und die Fertigung sprechen, sondern auch über soziale Standards.

Absolut, ich unterstreiche das. Es ist nicht nachhaltig, nur ein nachhaltiges Material zu verwenden. Für uns ist es so, dass das große Ganze stimmen muss. Wir verstehen unter Nachhaltigkeit ein rücksichtsvolles Denken und Handeln unter Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Faktoren, aber auch den ökonomischen Faktoren, die man nicht vergessen darf. Nachhaltigkeit beschränkt sich nicht auf einzelne Produkte und Prozesse. Man muss die kompletten Lieferkette und das gesamte Konstrukt mit bedenken und berücksichtigen und auch deren Folgen im Blick haben. Es passiert sehr viel, es gibt sehr viel Weiterentwicklung, und es ist nachhaltig, diese im Blick zu haben und sich weiterzuentwickeln. Man muss sich einfach weiterentwickeln!

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Was bedeutet das für Euer Angebot im Konkreten? Gibt es da noch andere Aspekte, im Hinblick auf die Bedeutung der Nachhaltigkeit bei Produktion und Lieferung, gerade wenn Du von einem allumfassenden unternehmerischen Konstrukt sprichst? Ihr deckt ja den Prozess ab bis zur Warenauslieferung. Gibt es noch andere Bereiche, in denen Ihr konkret unterstützt? Gebt Ihr den Unternehmen auch Tipps?

Wenn wir zusammen mit Brands Produkte entwickeln, dann versuchen wir immer wieder abhängig von den Stoffen und Zutaten zu schauen, was sinnvoll ist. Nicht nur die Funktion, sondern das Gesamtprodukt zu berücksichtigen. Welche Stoffe und Zutaten, welche Kompositionen sind besonders nachhaltig? D.h. wir verwenden nachhaltige Stoffe und Zutaten, und schauen auch, welche Abnahmemenge sinnvoll ist, damit man keine Überproduktion hat.

Und dann denken wir an die Produktion. Wir versuchen, alle Lieferketten so kurz wie möglich zu halten. Wenn wir Stoffe und Zutaten vorschlagen, dann haben wir im Hinterkopf: „Wo können wir die Produktion platzieren?“ Wenn wir die Produktion in Portugal platzieren, müssen wir die Stoffe nicht aus Griechenland beschaffen, wenn wir sie doch auch aus Portugal beschaffen können. Wir versuchen wirklich, die Lieferketten so kurz wie möglich zu halten und auch schon einen Schritt wieder zu denken und zu schauen, welchen Einfluss die Entscheidung von den Kund*innen auf die weiteren Schritte hat. D.h. wir beraten auch zu den Mengen, nicht nur bei den Stoffen, sondern auch in der Produktion, versuchen Überproduktion zu vermeiden, und müssen schauen, welche Produktionspreise bei welcher Abnahmemenge realistisch sind. Dazu muss man erwähnen, dass wir nicht mit unseren Produktionsstätten verhandeln, wir nehmen die Produktionspreise als Ist-Zustand an.

Das sind die Pfeiler in unserer Zusammenarbeit mit den Brands. Und die Ausrichtung eines einzelnen Brands. Wir haben z.B. gerade mit Lotta Ludwigson einen Circular Suit, einen Business Suit entwickelt. Da kommt das Brand mit der Idee zu uns: „Wir möchten einen Biodegradable Suit entwickeln!“ D.h. diese Grundidee kommt von den Brands selbst, die schlagen wir nicht vor. Und wir versuchen, sie zu unterstützen, zu leiten und zu schauen, wie wir es umsetzen können.

Kannst Du Durchschnittszeiten sagen, wie lange Ihr für eine Produktentwicklung braucht, vor allem bei einem neuen Produkt, vllt auch bei einem neuen Kunden bzw. einer neuen Kundin? Und kannst Du eine generelle Einschätzung treffen, mit welchen Mindestmengen man rechnen kann Ich weiß, das ist gerade bei Südeuropa häufig ein Thema, und bei Produktionsstätten, die GOTS-zertifiziert sind.

Eine industrielle Produktion ist ab 50 Stück pro Style und Farbe sinnvoll, darunter hat man einfach andere Prozesse. Da lohnt sich eine Zusammenarbeit nicht. Wir arbeiten immer mit Tech Packs und betreuen auch die Produktion, machen eine Qualitätskontrolle während der Produktion, und diese Abläufe lohnen sich finanziell einfach für die kleinen Brands und Startups nicht.

50 Stück pro Style – da kommt es auch auf die Kollektionsgröße an, wo wir die Produktion platzieren würden. D.h. 50 Stück bei einer Kollektionsgröße von drei bis vier Styles – also eine kleine Kollektion mit einem kleinen Produktionsvolumen – würden wir so lokal von uns wie möglich zu platzieren, also in Deutschland oder in Polen, weil dort noch kleine Produktionsbertriebe sitzen, mit einem Team aus 10 Näherinnen, die solche Mengen gut umsetzen können.

Wenn wir von größeren Produktionsvolumen sprechen, dann sind es 200-300 stück pro Style. Die würden wir wahrscheinlich in Portugal oder in Litauen platzieren, dort sitzen einfach größere Produktionsbetriebe mit über 50 Mitarbeiter*innen. Die können ganz andere Produktionsvolumen umsetzen und ganz andere Preise realisieren. Die haben Produktionsbänder, und das muss man sich so vorstellen, dass die Näherinnen hintereinander sitzen und jede ihre Abläufe hat. Und ein Band mit 20-30 Näherinnen kann man nicht mit einer Stückzahl von 20 Stück bespielen. Deswegen gibt es diese Mindestbestellmengen.

Habt ihr auch Logistiker, mit denen Ihr zusammenarbeitet, oder wie regelt Ihr diesen Teil der Wertschöpfungskette?

Wir betreuen die Logistik nicht selber, d.h. wir geben Empfehlungen ab, aber an sich ist es Sache des Brands, sich Gedanken über die Logistik zu machen, um auch zu schauen: Wo sitzt der Kundenstamm? Wo macht es Sinn, den Logistiker zu platzieren? Aber ansonsten arbeiten wir eng mit einem Logistiker hier in Berlin zusammen, bei dem auch ein paar Kundinnen von uns ihre Produkte haben.

Wie sieht ein typischer Tag bei Dir im Büro aus?

Ich fahre mit dem Fahrrad zur Arbeit, wie fast alle aus unserem Team. Dann gibts einen Kaffee zum Einstieg. Ansonsten sind die Tage recht abwechslungsreich. Ich sitze natürlich viel am Rechner – Mails beantworten, Angebote schreiben, Excel-Tabellen befüllen mit Timelines und Lieferzeiten. Aber ich suche natürlich viele Stoffe raus und habe dadurch viel Abwechslung, darf auch auf Messen fahren. Ansonsten habe ich auch immer mal Kundentermine, wenn es in die Kickoff-Meetings oder in Fittings geht. Zwischendurch mache ich noch das ein oder andere Foto für Instagram und unsere Website, d.h. es gibt eigentlich nicht den typischen Tag.

Ihr seid ja wahrscheinlich auch in den Produktionsstätten vor Ort. Wie oft macht Ihr das, und sind die Produktionsstätten, mit denen Ihr arbeitet, alle zertifiziert? Würdest Du sagen, da ist GOTS die Benchmark, oder gibt es noch andere Empfehlungen, die Du aussprechen kannst?

GOTS als Benchmark?

Die Kleineren sind nicht zertifiziert, weil sie es sich nicht leisten können, das ist einfach wahnsinnig teuer für so einen kleinen Nähbetrieb. Da ist es sinnvoll, regelmäßig vor Ort und im engen Austausch zu sein, um zu wissen, wie sie arbeiten. Die größeren Produktionsstätten, mit denen wir zusammenarbeiten, sind GOTS-zertifiziert. Ich würde sagen, das ist auch der Standard, dem wir vertrauen, weil er verschiedene Status abdeckt und wir ja auch gewisse Produkte haben, die am Ende GOTS-zertifiziert sein sollen. Diese muss man in einer GOTS-zertifizierten Produktionsstätte platzieren und alle einzelnen Komponenten müssen auch GOTS-zertifiziert sein.

Pauschal kann man nicht sagen, dass wir einmal pro Jahr oder halbem Jahr vor Ort sind, das kommt immer darauf an. Wenn wir eine Übergabe haben, oder es gibt Sachen zu besprechen, eine Produktion ist nicht so gut gelaufen, oder es gab Probleme, dann müssen wir vor Ort sein. Wir versuchen natürlich auch, so wenig wie möglich zu reisen, um unseren Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Marita, eine der Gründerinnen, war im Frühjahr für zwei Monate in einer Produktionsstätte von uns in Portugal, hat dort auch nebenher gearbeitet. Und da bekommt man viel tiefere Einblicke in das, was die Produktionsstätte von uns benötigt, um besser arbeiten zu könne. Das hilft unseren Kund*innen total weiter. Wenn die Produktionsstätte sagt: „Eure Entscheidung verzögert die Produktion um vier Wochen.“, dann kann man das erklären. Wir tauschen uns viel aus, und es macht Spaß, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Wo seht Ihr Nachholbedarf, insbesondere bei Newcomern und Startups in Hinblick auf die Produktion?

Uns ist wichtig, dass viele Newcomer und Startups mehr auch an die ökonomische Nachhaltigkeit denken, d.h. im Sinne einer Wirtschaftlichkeit. Wir arbeiten mit Startups und Newcomern vom Start an zusammen – und wir arbeiten auch mit Fachfremden zusammen, das ist überhaupt kein Problem. Das ist im Gegenteil eher spannend, wenn in dem Team von Brands z.B. Leute sitzen, die Ahnung von BWL haben.

Und dass man mit kleinen Mengen startet, ist vollkommen okay, und es ist super, dass man Überproduktion vermeidet – aber man muss schon einen Fahrplan haben, wo die Reise in ein paar Jahren hingeht, und was da auf ökonomisch nachhaltig ist. Ist es sinnvoll, immer wieder mit kleinen Stückzahlen zu arbeiten und die gerade so im Sale abzuverkaufen? Das ist eben nicht nachhaltig! Wichtig ist, dass die Brands in diesem Bereich eine Zukunftsvision haben.

Was wünscht Ihr Euch an nachhaltigen Veränderungen in der Branche generell?

Wir würden uns wünschen, dass das Thema Kreislauffähigkeit viel mehr auch für kleine Startups umsetzbar ist. D.h. dass es Lieferketten gibt mit Recycling-System, dass es Rückgabesysteme gibt, auch niedrigschwellige Möglichkeiten, Materialien auf Biodegradability testen zu lassen – einfach das ganze Thema Zirkularität. Das ist schon viel im Gespräch und es gibt mittlerweile viele innovative Prozesse, gerade für größere Brands. Die haben da den Vorteil, dass sie das wegen ihres Marktanteils und wegen ihrer Stückzahlen umsetzen können. Aber solche Systeme müssen noch viel mehr für Startups möglich werden. Dass man eben nicht nur bis zum Ende des Produktes denkt, also nicht nur langlebiger Produkte entwickelt, sondern auch überlegt: Was passiert danach? Was passiert mit den Produkten, wenn sie getragen sind? Da wünsche ich mir von der Branche weitere spannende Ideen und hoffe, dass es bald Prozesse gibt, die wir auch umsetzen und den Kund*innen vorschlagen können.

Vielen Dank für das Interview, ich fand es sehr inspirierend und spannend. Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast!


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